The Never Ending Interview – 1. Peter Bergschmidt
Martin Keßler befragt Peter Bergschmidt
Peter Bergschmidt gehört in der heutigen Dudelsackszene zu den weniger präsenten Größen. In einer eigenen Weise ist dies für ihn bezeichnend. Denn zu seiner Größe gehört Bescheidenheit. Peters Leistung verdankt sich einem unerschöpflichen Interesse, einem beispiellosen Engagement und außerordentlichen Eigeninitiativen -Motivationen, die weder auf Aufmerksamkeit und Anerkennung noch äußere Bestätigung ausgerichtet oder angewiesen sind. Der Respekt, der Peter gebührt, ist um so größer. Sein Wissen ist immens, seine praktischen Fähigkeiten und handwerklichen Talente gelten Instrument und Outfit gleichermaßen. Vor Jahren schon leise aus der ersten Reihe der Clan Pipers zurückgetreten, verdankt sich die Band doch insgesamt seiner Begeisterungsfähigkeit und seinem Aktivismus, seinen autodidaktischen Anfängen, seinen Besuchen in Schottland, seinen Kontakten.
Peter selbst würde es fernliegen, auf die Gründung der Clan Pipers Anspruch zu erheben oder die eigene Leistung herauszustreichen. Auch deswegen schätze und respektiere ich ihn wie keinen anderen. Eine Interview-Serie in Deutschland kann nur mit ihm beginnen, und ich freue mich sehr, daß sich Peter zu dem Gespräch, verbunden mit der Auflage, ein weiteres Interview zu führen, bereit erklärt hat. Ein erstes Treffen Mitte Januar 2004 geht in die Hose. Am Tag nach dem Knock Out-Halbfinale in Neu-Ulm besuche ich Peter zusammen mit meiner Freundin, die vor Jahren selbst von ihm unterrichtet wurde, in Sachsenhausen. Der mächtige Altbau erinnert an den Reichtum der Frankfurter Bürgerschaft und das Kaiserreich der Jahrhundertwende. Eingeschüchtert von der Größe des Mietshauses studiere ich das Klingelschild und entdecke einige Reihen unter dem Namen „Peter Bergschmidt“ auch eine Wohnung „Karsten Bergschmidt“. Mit dem Betreten der obersten Etage des alten Mietshauses atmet man eine andere Luft. Wir befinden uns in einer hellen, jugendlich anmutenden Wohnung. Am Küchentisch, auf dem eine alte Hardie-Pfeife in Einzelstücken liegt, nehmen wir Platz. Neben dem Herd steht eine Werkbank mit frisch geschnittenen Dronereeds. Auf dem weißen Email des Gasherdes zeichnen sich Rückstände von dunkelrotem Siegelwachs ab. Ich stelle mein Aufnahmegerät ein – und später wieder aus. Das Interview ordne ich dem Gespräch nach. Für das Gespräch und den Nachmittag bin ich auf dem Rückweg dankbarer als für die Bereitschaft zum Interview. Während der nächsten Monate tritt das Interview mehr und mehr in den Hintergrund, während sich das Gespräch fortsetzt. Am 14. November, nach dem Jubiläums-Konzert der Clan Pipers in Neu-Isenburg, besuche ich Peter, der in der Zwischenzeit umgezogen ist, in seinem neuen Heim „auf der anderen Seite der Brücke“. Wieder sitzen wir in einer hellen Wohnung, wieder schenkt mir Peter Tee ein. Noch fehlen die Wachsspuren auf dem Herd. Nervös eröffne ich meinen diesmal detailliert vorbereiteten Fragekatalog.
Peter, wie kamst Du zum Dudelsack – how did it all start?
Musik war eigentlich immer schon in der Familie. Gerade meine Mutter war sehr musikalisch. Sie hatte einen guten Lehrer, das war ein interessanter Mann und sehr weltoffen. Der brachte ihr Lieder wie: „In Dublin’s Fair City“ und „The Brown Haired Maiden“. So bin ich als kleines Kind schon mit diesen Stücken aufgewachsen. Was für Zeiten das waren! Während dem Krieg bin ich mit Stücken wie „Brown Haired Maiden“ großgeworden. Später wurde das für mich eine Schlüsselmelodie.
Gab es in Deiner Familie Beziehungen nach Großbritannien?
Nur auf einer mystisch-persönlichen Ebene. Meine Mutter kannte während dem Krieg eine alte Schottin, die wurde Granny genannt, wohnte bei uns in der Gegend. Die hat mir einen silbernen Becher geschenkt, den habe ich noch. Das ist aber alles, was ich noch weiß. An die Frau selbst habe ich keine Erinnerungen mehr.
Wann hast Du angefangen, Musik zu machen – und was war Dein erstes Instrument?
Mundharmonika war mein Instrument. Der Hang, irgendwas selbst zu produzieren, war da. Wir hatten zuerst überhaupt gar nichts. Kein Plattenspieler, kein Radio, kein Fernseher war da. Deswegen haben wir damals alle gesucht, wie wir Musik selbst machen können. Für mich war nach der Mundharmonika schnell klar, daß ich ein Zweitinstrument will. Aber welches? Klavier kam gar nicht in Frage. Mein Kriterium hieß: Mobilität. Mein Bruder hat Skiffle gemacht, hatte eine eigene Gruppe.
Der Karsten?
Jaha! Er war u.a. befreundet mit einer Gruppe aus Hamburg: „The Glory Skiffle Tramps“. Die Leutchen hatten wirklich Pep! Das waren zwar Hallodries, aber die waren gut! Die waren gut, bekannt auch, eine schlagkräftige Truppe!
Dann gab es sogar zwei Dudelsackspieler in der Skiffle-Szene der fünfziger Jahre! Dich – und meinen Lehrer Arthur! Sein Idol war Lonnie Donegon, der Junge aus Glasgow. In diesem Umfeld bist Du aber wohl kaum dem Dudelsack begegnet?
Ich habe jahrlange überlegt: was spielste. Banjo, Akkordeon, Klarinette? Jazz nicht. Das kam nicht in Frage. Skiffle war in Ordnung, das war deftig. Du mußt Dir das so vorstellen. Es gab keinen Ferneseher. Es gab Kino, Wochenschauen. Und immer wenn die Briten rummarschiert sind: Pipes & Drums. Auf Radio Luxemburg – das war ein interessanter Sender – hörte ich immer eine Sendung: „Scottish Request“. Ich mochte das Auf und Ab der Tanzmusik so sehr. Auch die Lieder! „Green Hills“, eine andere Schlüsselmelodie, hörte ich gesungen in dieser Sendung. Bei irgendeiner Europa-oder Weltmeisterschaft sind wieder Pipes and Drums aufmarschiert. Irgendein Idiot hat „Unter dem Schottenrock ist gar nichts“ kreiert. Und der erste Rob-Roy-Film lief in den Kinos.
Und mit diesen Berührungen war das Interesse geweckt?
Ja, ich habe gesucht und gesucht, zunächst nur nach Platten. Irgendwann habe ich dann auch eine gefunden. Von der Black Watch, eine kleine Scheibe. Und dann noch eine. Und dann irgendwie…
…bist Du auch zu einem Dudelsack selbst gekommen.
Auf der Suche nach dem Dudelsack habe ich wieder die Stadt durchkämmt, und nichts gefunden. Die Situation heute ist anders. Heute gibt es Hümmelchen, Böhmischen Bock, bis zum spanischen Dudelsack. Alles ist da. Damals kannte man eigentlich nur einen Dudelsack, den schottischen, und nach dem habe ich gesucht. Ich habe schließlich den englischen Konsul angerufen und mit dem einen Termin ausgemacht. Und dann war ich in seinem Büro: Dackel da, Angelrute dort. Schwerenglisch! Das hat er auch selber gesagt. Er hat gesagt: Ich habe keine Ahnung, ich bin Engländer! Der Konsul mußte mich kurz mit dem Dackel allein lassen – und das Mistvieh hat mich angekläfft! Immerhin wußte er von einer „Englischen Woche“ in Ingelheim, Kaiserpfalz am Rhein, und dort sollte auch ein schottischer Spieler sein. Es war eine irische Band. In Begleitung von einem Nachbarn bin ich hingefahren. Der hat auch später einen Dudelsack gekauft. Dort war auch wirklich ein Schotte in dem Kilt. Plötzlich, vor dem Ratshaus, stand die ganze irische Band. Die marschierten los – ganz toll! ¬und wir hinterher, wie die Gassenjungen. Irgendwann stoppen die dann. Es war Zeit genug, einen zu fragen, wo man so ein Ding herbekommt. Der zeigte oben auf seinen Chanter und da stand: Robertson, Edinburgh. Er sagt: „schreib als Adresse: ‚Pipe Maker Robertson, Edinburgh’, das kommt an!“ Und es kam an.
Du hast gleich bestellt?
Gleich bestellt. Ich war gelernter Betonbauer, noch in meinen beruflichen Anfängen, hatte aber schon ein bißchen Asche nebenher. Ich habe dann gleich so ein Ding gekauft. Ein volles Instrument, fully ivory mounted. Die Firma schrieb mir zwar, ich solle noch eine Übungspfeife dazu nehmen, aber ich dachte mir: die wollen nur Geschäft machen! Den College of Piping Tutor, Teil 1, habe ich aber genommen.
Du hast ohne Practice Chanter angefangen?
Es kam so an, wie ich es bestellt hatte. Nur der Dudelsack und der College of Piping Tutor, Teil 1. Dummerweise kam Buch 2 erst später raus. Aber ich habe schon begriffen, wo was rein soll. Und irgendwie hab ichs geschafft. Den Chanter habe ich zuerst ohne Sack geblasen und darauf auch gespielt. Muß’n Horror gewesen sein! Im nächsten Wald habe ich dann geübt. Ich war bekannt wie ein bunter Hund. Ich habe dort immer geübt, auch bei Nieselregen und auch im Winter. Einmal sind mir sogar Mini-Eiszapfen aus dem Chanter gewachsen.
Wie lange hat das der Chanter mitgemacht?
Der Chanter existiert noch, hat sich wohl leicht verbogen.
Wie alt warst Du damals?
Um die 23. Die Pfeife ist 1962 gekommen. Die Zeit des intensiven Suchens alleine nach dem Schottischen Dudelsack war wohl ein Jahr.
Und Du hast den kompletten College-Tutor auf dem eigentlichen Instrument durchgearbeitet?
Der Schlüssel waren die beiden Stücke, die ich schon kannte: Die „Green Hills“ und „Brown Haired Maiden“. Mit „Scots Whae Hae“ konnte ich nicht viel anfangen. Es gab damals ja noch keine Kassette. Ich mußte mir erst einmal das Notenlesen erarbeitet. Gracenotes und Crossing Noises habe ich nicht so begriffen. Meine Familie, auch der Karsten, hat alles ertragen müssen.
Der Karsten?
Ja, genau. Muß schlimm für ihn gewesen sein. Den ganzen Tag: Die „Green Hills“ und „Brown Haired Maiden“.
Wann bist Du endlich vom Dudelsack auf den Practice Chanter umgestiegen?
Das war so. Der Karsten war mit dem Fahrrad in Frankreich. Im Urlaub. Und er pfeift das Lied, das ich den ganzen Tag gespielt habe: „Green Hills“. Ein Mann erkennt es, geht hin, spricht den Karsten an. Ein Holländer, ein Mann aus Leiden! Mit ihm stand ich dann in Briefkontakt und er schickte mir einen Practice Chanter. Den hat er mir geschenkt. Damit war es dann leicht, die Sachen auf den Tisch zu legen und die Noten anzugehen. Ich habe aber immer noch sehr viel nach dem Gehör gespielt. Auch das wurde dann aber mit dem Practice Chanter leichter.
Wann haben sich – über den Mann in Leiden hinaus – die ersten Kontakte in Deutschland geknüpft?
1964 suchte der Karsten einen Verstärker. Ich hatte damals einen Citroën und hab seine Sachen immer rumgefahren. Der Karsten hat damals Skiffle-Wettbewerbe gemacht. Auf der Suche nach dem Verstärker waren wir einmal in einer Schule, und in der traf sich gerade ein Tanzkreis. Laber laber – kein Verstärker! Ich stand dort rum, und eine Frau hat mich gefragt, was ich eigentlich mache. Ich spiele Dudelsack. Kreisch! Das war nämlich ein Tanzkreis für internationale Volkstänze und die hatten auch Schotten und eine Vorführgruppe. Für mich, ungefähr eineinhalb Jahre nach meinem Start, war das eine kleine Wende, für alles Weitere impulsgebend. Damals lernte ich wirklich Schotten kennen, Amis und andere. Ein halbes Jahr danach kam der Colonel rein, einer von den Amis. Colonel Salada hat schon gespielt, der kam da plötzlich reingeschneit und baute dann eine eigene Gruppe, eine Band. Wohlgemerkt: parallel zu den Tänzern und Tänzerinnen, die Pipes lernen wollten: Schotten, Deutsche, Iren. Der Ami hat die dann gesammelt. Zwei eigene Söhne wollte er auch integrieren. Zum Training hatten wir einen kleinen Raum bei den Amis. Es gab sogar einen kompetenten Snaredrummer, ein Ire, der ganz nett war. Ich erinnere mich noch an die Proben: marching, immer um den Tisch rum. Keiner war Goldfinger, wollte die Nummer Eins sein. Der Colonel aber wollte seine Truppe trainieren. Eine nette Szene war einmal auf dem Sportfeld von den Amis. Bandaufstellung, der Colonel fragt: Hat jemand ein Breitschwert? Ich sage: Ich habe einen Reservistensäbel. Er: Mitbringen! Dann stellt der Colonel die Truppe als Band auf. Er schnallt sich den Säbel um. Aufstellung, Marsch! Und dann: Säbel gezogen, vorneweg marschiert. Das war sein Traum. So ging es aber maximal ein Jahr!
Wann ergaben sich für Dich die ersten Kontakte nach Schottland?
1965 war ich das erste Mal in Schottland. Und das war dann auch das Ende dieser Truppe hier. Der Colonel wollte einen gewissen Abstand zwischen mich und sich bringen. Er hatte sich dazu heimlich zu einer Sommerschule am College of Piping angemeldet. Jürgen Kraus, der auch in dieser Truppe war, hatte Wind von der Sache bekommen. Zusammen mit ihm bin ich dann hin, zwei Wochen. Wir haben meinen Citroën genommen, haben ein Riesen-Tonbandgerät reingeschmissen und die Pipes hinterher. Er hatte eine Pakistani, und zwar keine schlechte. Und dann sind wir hochgefahren.
Wo fand die Sommerschule statt?
„Tarradale House“, in der Nähe Muir of Ord. Ein Mini-Landbesitz direkt am Meer. Eine ganz kleine Klitsche, aber mit Hauptgebäude, Bibliothek, die aussah wie eine Kirche. Und die ganze Bude war original eingerichtet! Das Anwesen gehörte der Uni von Aberdeen. Die Kurse des College wanderten damals.
Wie wurdet Ihr dort aufgenommen?
Wir kamen an, stiegen aus dem klapprigen Citroën. Großes Hallo. Wir erklären, daß wir aus Deutschland sind. Dann sagt einer: kommt hier rein, da sitzt schon einer von euch! Colonel Salada – die Augen gingen auf! Wir haben ihm nicht gesagt, dass er nicht unbedingt fair gehandelt hatte. Verdrückt sich heimlich nach Schottland um dort zu bunkern. Sonst ein netter Kerl!
Wer waren die Lehrer bei der Sommerschule?
Zunächst einmal Tommy Pearston. Seumas hat sich immer in Kanada und den USA rumgetrieben. Tommy war okay. Daneben gab es noch einen Polizisten, der mal in Hong Kong gedient hatte. Und dann: Dugald Murdoch. Insgesamt vielleicht 5 Lehrer. Keine Drums natürlich!
Wie sah es auf Seiten der Schüler aus?
Insgesamt waren es wohl um die 25 Schüler, ein Publikum im Alter von 7 bis 65 Jahren. Und es war international! Engländer, Schotten, Iren, Bretonen, eine Schwedin, eine Philippisch-Schwedin, Amis – und zwei Deutsche. Daß wir die ersten waren, das sage ich so lange, bis ich meine Vorgänger treffe.
Wie gestaltete sich denn der weitere Kontakt mit dem Colonel?
Er hat sich dort umgeschaut. Zusammen haben wir auch Contests besucht: Dingwall. Burgess hat dort gespielt, neben anderen. Und dann kam der Colonel, quatscht die an. Wollte halt mit den großen Hunden pissen gehen. Die haben ihn aber ziemlich abblitzen lassen, klar: der Wettbewerb lief ja gerade.
Was habt Ihr sonst noch außerhalb des Unterrichts unternommen?
In der Gegend sind wir rumgefahren. Einmal sind wir nach Inverness, der Colonel und ich. Du kennst die Straße ja vielleicht – sie ist nicht so toll. Und wir in meinem 12 PS Citroën, völlig entladen, nur zwei Sitze, Direktlenkung. Der Colonel muß gedacht haben, er sitzt in einem Go-Kart. Das war jedenfalls die letzte gemeinsame Autofahrt mit ihm. In Inverness sagt er dann zu mir, er hat noch zu tun, nimmt den Bus zurück. Später hat er sich dann während dem Kurs verabschiedet. Wir haben uns nie wieder gesehen. Vielleicht ist er versetzt worden.
Was war Dein persönlicher Ertrag des Kurses? Man hat mir gezeigt, was Crossing Noises sind. Es war deprimierend. Auf der einen Seite waren da diese kleinen Kerle, siebenjährige, die schon spielen konnten. Andere hatten aber genauso spastische Finger wie ich auch. Wichtig war vor allem die gute Atmosphäre, der Spaß, den man miteinander hatte. Ich erinnere mich wie die Lehrer auch einmal mit den jüngeren Schülern Fangen spielten, die Treppe rauf und dann wieder runter. Auch Tommy hat seinen Sohn dabei. Es war angenehm. „Brose und Butter“ wurde immer bei den Mahlzeiten, gespielt, wie beim Militär. Aufstehen mit „Jonny Cope“. Und abends „Light Out“. “Highland Laddie“ zur Versammlung, und abends ging’s für die Ältern ab in die Kneipe.
War das Deine einzige Sommerschule?
Im Jahr drauf, 1966, war ich wieder für eine Woche oben. Unter den Schülern war u.a. Alan Stivel dabei, überhaupt Bretonen, zwei Brüder, Jean-Francoir der eine, der hat sogar Tommy Pearston im Wettbewerb geschlagen. Diesmal war ich alleine oben. Im Kurs war auch ein Österreicher: John. Großer Kerl, Riesen-Klappe, nie wieder gesehen.
Wie ging es weiter mit Deinem Unterricht?
Anschließend habe ich nur sporadisch, wenn ich in Glasgow vorbei kam, Unterricht genommen. Wenn ich Urlaub hatte, oder auf der Durchreise war. Eine Woche war ich einmal bei Duncan Johnstone, ansonsten beim Tommy. Einmal auch Einzelunterricht bei einem Polizisten. Mit zwei anderen Polizisten hatte ich damals auch einmal eine eigene Begegnung. Mittags fahre ich mit meiner Kiste dort um die Ecke, um mir was zu futtern zu holen. Ich fahre natürlich auf der falschen Seite, zwei Polizisten sehen das. Führerschein, Personalausweis! Die waren schon sehr stinkig. Ich gebe Ihnen meine Papiere, plötzlich wandelt sich das Benehmen! Einer sagt, ich soll eben ein bißchen mehr aufpassen. Als ich die Papiere zurückkriege, sehe ich, daß mein College of Piping-Ausweis zwischen Führschein und Ausweis war.
Was hast Du sonst in Schottland gemacht?
Ich bin im Land rumgereist, habe gezeltet, Leute getroffen, Wettbewerbe angehört. Einmal war auch ein Clan-Gathering bei Fort William.
Wie ging es in Deutschland weiter?
In der Zeit zwischen 1966 bis 1974 kamen immer wieder Leute zu mir, die wollten Pipes lernen. Es war ein Kommen und Gehen. Ich habe die auch unterrichtet, kostenlos. Irgendwann mal, so 1974, sehr spät, da war ich auch schon eine gewisse Spur besser, habe ich dann gesagt: hier, bezahlt mir mal ein paar Pfennige für die Zeit.
Wie kam es zu der Gründung der Clan Pipers?
Es war immer so eine Handvoll Leute zusammen. Einer, Lothar Dolle, ruhiger Typus, hat angefangen. „Wir wollen ne Band machen.“ Und die haben dann eben den Einäugigen gefragt. Der Name, Clan Pipers, war auch nicht meine Erfindung. Den hat jemand damals vorgeschlagen. Klar, wir waren ja auch nur Pfeifer, hatten keine Drums! Das war 1974, Lothar Dolle der zweite Mann. Die Drums kamen später.
Wie ging es weiter?
1979 haben wir den ersten Wettbewerb in Den Haag mitgespielt – außer Konkurrenz: fünf Pipes, eine Snare. Im Jahr darauf schon, 1980, haben wir in Vlissingen gespielt: als Band, mit den nötigen zwei Snares, der Bass und sogar mehr als sechs Pfeifern. Die brauchten dort dringend noch einen für den letzten Platz. Und da haben wir gedacht: den nehmen wir! Letzte Plätze sind sehr gefragt!
Wann ergaben sich Eure Kontakte zur RSPBA?
Das muß in den Jahren vorher gewesen sein. Jemand hat uns das so erklärt: das ist für die Band! Die machen auch Kurse, und ich habe das auch so weitergegeben. Wer Geld und Zeit hatte, die Kurse zu besuchen, für den war das was. Deswegen haben wir uns auch schließlich die Leute hier hergeholt. Wir waren damit nicht nur die erste Band, wir hatten auch die ersten bandeigenen Kurse.
Wann war der erste Kurs und wer hat dabei unterrichtet?
Der erste Kurs war im April 1983. Dabei waren Jack Crichton, Bob MacCroskie, David Bruce, ein Drummer. Wir waren vier Tage, ein verlängertes Wochenende, in der Turnhalle am Park, beim Schloß Karben. Die ganze Band war im Gasthaus. Wir wurden schon ganz schön getrimmt, als Band, und spielten dann schon! Irgendwo habe ich noch eine Kassette von dem Kurs. Ich habe auch eine komplette Liste über unsere späteren Kurse und der Mitglieder der Band.
Respekt – Du hast nicht nur organisiert, Du hast es auch dokumentiert. Was hatte es eigentlich mit der „Continental Pipe Band Information“ auf sich?
Es waren nur Rundbriefe, die ich einem Augenzwinkern „Continental Pipe Band Information“ nannte. Leider habe ich davon nichts aufgehoben. Die älteren Bandmitglieder der Owl Town Pipe Band in Peine neulich wußten das noch. Einer hat gesagt, er hat’s noch rumliegen.
In welchem Zeitraum hast Du diese Rundbriefe verschickt?
Das muß so 1980 gewesen sein, wegen der ersten Wettbewerbe. Ich habe ihn vielleicht so zwanzigmal verschickt, so um den Dreh. Geschrieben habe ich den Rundbrief wohl bis ans Ende der 80er Jahr. Damals gab es auch eine Fortsetzungsgeschichte, und die nannte ich „Highland Mist“. Ich hab damals nen Roman angefangen! Ansonsten waren es Blätter mit Infos von Wettbewerben, ev. Tanzdinge, ein kleiner Flohmarkt, teilweise handgeschrieben, Skizzen. Das funktionierte auch in dem kleinen Rahmen. Es gab Hamburg, große Treffen, Hannover. Beim Schützenfest, Treffs, bei denen die Bands oder deren Vertreter zusammenkamen. Geschickt habe ich den Rundbrief auch nach München, an den Mike Dahlmanns. Der erinnert sich bestimmt auch noch daran. Gestern war er bei dem Konzert und hat mir eine Buddel Whiskey für die Band gegeben. 30 Jahre alten Whiskey hat er mir gegeben, den muß ich natürlich erst prüfen!
Der Rundbrief war eine reine Privatinitiative? Hast Du das alles auf eigene Kosten verschickt?
Ja ja, das lief nicht über die Bandkasse. Die Vereinsmeier kamen später.
Wann habt Ihr Euch als Verein formiert?
Die Vereinsbildung! Damals nicht nötig. Heute ja. Heute ist das eine Riesentruppe, da muß der Verein haften, nicht die Einzelperson.
Was war Deine Motivation damals zu dem Rundbrief?
Der Grund war einfach: es gab verschiedene Gruppen, die mußte man verknüpfen. Man traf sich, auch bei den Highland Games in Neu Isenburg. Aber mußte wissen, wann und wo.
Wann und wo gab es erste Berührungen mit der sich formierenden Szene um Peter Brinckmann?
Das war alles damals in zeitlicher Nähe, unsere Kurse und die von Peter. Seine Anfänge habe ich damals ja auch miterlebt. Zuerst bin ich ihm begegnet in Eveshausen, nach den ersten Jahren des „Pipers’ Meeting“ auf der Burg Waldeck. Das war übrigens auch eine schöne Zeit! Mit den schottischen Dudelsäcken sind wir da aber schon bald rausgeflogen. Die waren dort einfach zu penetrant laut. Aber zurück zu Peter: Er war damals noch schwer am Anfang, hatte aber schon bald eine völlig andere Richtung! Ich hatte ja die Band am Hals, und er konnte sich um die Soloszene kümmern. Einmal sagte er zu mir, die zu hüten, das ist wie ein Sack mit lauter Flöhen. Ich habe aber damals schon unsere Leute nach Rüsselsheim geschickt, und dann auf die Breuberg. Ich hatte das Spiel schnell begriffen: wenn Du eine vernünftige Band willst, dann muß die Ausbildung funktionieren.
Wie war – die Frage muß sein – insgesamt Dein Verhältnis zu Peter Brinckmann?
Das Verhältnis zu Peter, da gibt es einen Artikel von Jan dazu. Der Peter war bekannt als ein ruppiger Hund. Ähnlich veranlagt, kamen wir vielleicht gerade deswegen auch gut miteinander aus. Er hat mir grob die Meinung gesagt, ich hab ihm meine Meinung gesagt – und dann bin ich mit ihm zusammen zum Bier gegangen! Durchaus war man dann bereit, zu anderen Dingen überzugehen! Auch wenn er erst immer einmal Kleinholz geschlagen hat: ich wußte, er macht Musik und er baut das auf. Und er wußte, ich mache das auch schon lange. Er hatte natürlich ganz andere Ideen. Er war ja ein ausgebildeter Klavierspieler, war mir musikalisch weit voraus. Mit Band hat er nicht viel am Hut gehabt. Ich hatte den ganzen Bürokratismus, die Klamotten, dieses ganze Zeug, um das ich mich kümmern mußte.
Einen Großteil der Dinge hast Du ja sogar selbst hergestellt! Die Sporran, Gürtel und Crossbelts sind zumindest mir bekannt.
Handwerkliches wollte ich schon immer machen. Schon als Kind wollte ich immer mit nem Messerchen rumschnippeln. Krieg bedeutet auch improvisieren. Jemand hat mir gezeigt, wie man Leder näht. Aus der Notwendigkeit wurde das Band-Material, Sporran, Pipe Bags.
Um bei der handwerklichen Seite des Dudelsacks zu bleiben: was hältst Du von den modernen Entwicklungen wie den synthetischen Drone Reeds und Säcken aus Kunststoff?
Ich halte gar nichts davon. Ich halte von ‚Arundo donax’ sehr viel. Das eine ist: man macht Musik. Das andere ist die Bastler-Richtung. Und beides muß man lernen. Du mußt die Leute ausbilden, mit dem Instrument zu spielen – in beide Richtungen. Die handwerkliche Seite will man sich heute ersparen. Das will nicht nur der Pipe Major, der will das seine Band läuft. Das wollen auch die Spieler!
Wie siehst Du den heutigen Status der Clan Pipers in Deutschland?
Was ich gehört habe, in Peine und Schotten, werden die Unterschied geringer. Der Unterschied liegt häufig nur in einer einzigen Person! Wir sind noch immer die größte Band, und mit der A-Band, denke ich, auch die beste. Lars macht seine Arbeit in der B-Band auch sehr gut. Es ist ein gutes Verhältnis.
Ein familiäres Verhältnis pflegst Du mit Deinem Neffen, Jan T. Maschinsky, heute auch zur BAG. Wie kam es eigentlich, daß er – wie Du – das Dudelsackspielen erlernte? Wie groß war Dein Einfluß darauf?
Es ist doch ganz normal. Ich hab gedacht: der könnte eigentlich anfangen. Aber ich wußte auch, der rafft alles. Er: „Ach nö, keine Lust.“ Und da habe ich es schnell sein gelassen, in der Richtung weiterzustochern. Und dann ging es darum, in Neu Isenburg einen Infostand zu machen. Da hieß es dann nur: Klamotten anziehen, Info und Verkauf. Wir haben damals auch irgendwelchen Plunder verkauft. Irgendwie fand er es ganz toll da.
Jan, den wir natürlich getrennt von Dir dazu befragt haben, sagte noch etwas von einem Practice Chanter, der mit im Spiel war, und einigen Griffen, die Du ihm gezeigt hast.
Ich habe eigentlich nur das Brot auf den Tisch gelegt und das Messer dazu. Und gesagt, wenn du Hunger hast, kannst du essen. Du mußt aber nicht glauben – glaub bloß nicht! – , daß er das nicht alles durchgeblickt hat, der Hund. Das weiß der heute noch! Ich hab ihm den Practice Chanter in die Hand gegeben und gesagt: „da gibt es Leute, die fragen uns Löcher in den Bauch.“ Das hab ich gesagt. Und dann hab ich gesagt: „das kannst du eigentlich alles machen.“ ‚Man erkennt die Absicht’ – Goethe oder so. Der wußte von Anfang an, was gespielt wird. Der wußte das schon, was da los ist.
Peter, ich bewundere Deine direkte Sprache! Du verlierst keine Zeit und bringst alles auf den Punkt. Woher kommt das?
Vom Bau. Auf dem Bau mußt Du direkt sein.
Wie ging es bei Dir beruflich weiter?
Ob das die Leute interessiert?
Mit Sicherheit!
Später habe ich Bauingenieur gelernt, in Frankfurt, und da auch gearbeitet.
Wie hast Du den gestrigen Abend erlebt – 30 Jahre Clan Pipers?
Es war ein großer Tag, nicht nur für die Band, sondern auch für die Gegend und die Szene hier im Land. Es fördert vielleicht die Dinge! Es entstehen mehr Kontakte. Für hier ist es besonders eine Förderung der Musik. Der Wunsch bei einigen in der Band, besser zu werden, wird geweckt. Auch bei den umliegenden Bands wird das Interesse geweckt, und das nicht nur an der Musik. Das ganze Drum und Dran! Im Konzert geht es ja um Musik als Darstellung. Bei den Clan Pipers waren wir damit ganz schön gefordert und haben selbst nicht alles mitbekommen. So ging es aber allen. Am meisten gefordert war ja die A-Band, in der Benedikt eine gute Arbeit macht. Mark, Benedikt – es sind viele, die da arbeiten, auch in der B-Band.
Wie würdest Du Deine eigene Motivation zu Deinem jahrelangen Engagement umschreiben?
Die Welt geht weiter. Du kannst die Nummer Eins sein oder letzter – Du mußt was davon haben. Nur was? Spaß? Ja, Spaß woll’n sie alle haben. Das heißt in der Band: ich will nicht die Bohne lernen. Die Kandidaten mußt Du aussortierten! Der Spaß kommt mit der Musik. Die Arbeit ist im Leben das eine. Die Musik öffnet die Welt. Mit ihr ergeben sich die Kontakte. Die Musik dient dem Menschen. Sie hilft ihm, sich wohlzufühlen.
Was sind Deine persönlichen Hoffnungen als Einzelspieler und in der Band?
Daß ich mit meinen Gichtfingern noch ein wenig spielen kann. [Ich lache über die gelungene Formulierung.] Ich hab echt welche! Ich möchte aber schon ganz gerne noch so lange wie möglich in der Band mitspielen. Nach wie vor interessieren mich die handwerklichen Dinge, Rohrblattbau, die Geschichte des Dudelsacks, alte Instrumente. Ich will jedenfalls in Zukunft nicht nur noch den Bierverkauf regeln!
Ein persönliche Einschätzung zum Schluß: wie lange, was meinst Du, wird das „Never Ending Interview“ überleben?
Wie es schon so heißt: es hört nie auf. Wenn die zeitlichen Abstände passen, und es den Leuten nicht zuviel wird, dann sollte es auch weitergehen. Ich denke, es fördert u. a. so was, wie den familiären Charakter, den die Szene hierzulande hat. Hier bleibt man im Gespräch!
Peter, für dieses Gespräch bedanke mich sehr herzlich!
Willste noch nen Tee?
(veröffentlicht in der BAG Info Dezember 2004)