The Never Ending Interview – 2. Mike Dahlmanns

Mike, Deine Zusage zu diesem Interview hier ist für mich schon eine große Freude. Dass Du Anja und mich hier im neuen Heim in Frankfurt am Anfang von 2005 besuchst, ehrt uns beide sehr. Anja hat von mir schon einige interessante Dinge über Dich gehört. Sag´ bitte einiges über Dein Leben!

Ich bin 1944 in Mönchengladbach

Vorne Mike. Hinter ihm der Verfasser. Games Anzing.

geboren. Dort habe ich Konditor gelernt zwischen 1958 und 1961.

Mönchengladbach habe ich 1966 verlassen, um bis ich bis 1970, auch beruflich, in der Schweiz. Seit 1970 lebe ich nun in München. Hier habe ich 1972 meinen Konditormeister gemacht und als Konditormeister bis heute auch hier gearbeitet.

In Deinem Beruf ein Hobby betreiben war wohl nie ganz einfach. Geschweige denn eine Band zu gründen und dann auch noch mithelfen zu leiten (die Munich City Pipes and Drums)!
Natürlich waren es in erster Linie die Arbeitszeiten, welche die Sache erschwerten. Dazu kam noch eine relativ große Bandbreite meiner anderen Freizeitaktivitäten für viele Jahre meines Lebens.Deine Energie habe ich schon immer bewundert. Wenn auch nicht viele das auf sich nehmen können oder wollen, für das, was Du geleistet hast, muß man Dir großen Respekt zollen. Es war und ist noch ein wichtiger Beitrag für die sozialen Dinge, die wir alle dringend brauchen.
In München hast Du Deine Familie gegründet?
Ja, ich habe geheiratet. Zwei Jungs sind geboren. Später ist meine Frau nach langer Krankheit gestorben.Das war ein harter Schlag. Ich habe damals von diesem traurigen Schicksal gehört. Zum Hauptgrund dieses Interviews nun. Piping! Wann war Dein Anfang auf den Pipes?
Der war 1976. Aber ich muß etwas ausholen in dieser Sache: Fasziniert war ich schon als Junge von den Pipes and Drums. Es war in den 50er Jahren, als ich im Borussen Stadion in Mönchengladbach auf einem Natomusikfestival eine Pipeband sah und hörte. Später, 1974, hat ein alter Kumpel von mir mir eine Pakistani Pipe geliehen.

Aber mit diesem Ding klappte es nicht so richtig?
Genau! Aber aufgegeben habe ich mein Ziel, Pipes zu lernen, nicht. 1976 fand ich in München ein Übungsbuch für die Pipes. Mit diesem Tutor in der Hand ging ich über den Marienplatz und lief geradewegs dem Gerrit Raith in die Arme, der dort Pipes spielte.

Den Gerrit habe ich selbst kennengelernt. War er ab dann Dein Lehrer?
Ja, Gerrit gab mir und vier anderen Unterricht. Unsere Gruppe gründete dann die „Munich Civilian Pipe Band“. Der Gerrit ist heute (2005) 55 Jahre. Sein Piping fing in Irland an. Er war dort 1969 mit dem Motorrad und blieb ½ Jahr. Kaufte bei Waltons in Dublin einen Set und bekam bei John Lacey (der schenkte ihm später seine Pipes) Pipe Lessons. Zwischen 1969 und 1979 ist Gerrit immer wieder nach Irland gefahren. Gerrit ist handwerklich begabt. Er hat damals für unsere Gruppe Practice Chanters gebaut. Das Holz war aus alten Werkzeugkisten. Die „Blowtops“ waren pakistanimade. Kostengünstig und ausreichend für unseren Bedarf und relativ rasch zu bekommen und besser als die Paki-practice chanters.

Abgesehen von den Pakistanipipes oben erwähnt, wann hast Du Pipes made in Scotland bekommen?
Meinen ersten Set kaufte ich während eines Urlaubs 1977 in Schottland bei George Kilgour in Edinburgh. Zwischen dem Kilgour Set und dem Paki Set lagen Welten. Leider werden hier immer noch schlechte Instrumente (die Pakistanis können natürlich auch bessere bauen) aus Pakistan an Laien verkauft.

Mike, Du und ich, wir haben uns vor Urzeiten in München zum erstenmal getroffen. Wir, die Clan Pipers, spielten auf einem Job für die IGA, die Internationale Gartenausstellung im Jahr 1983.
Unser erster Treff war in Eurem Quartier zum Einspielen, im Lochhamer Pfarrheim. Die Frau des dortigen Pfarrers war Schottin. Der Pfarrer ging 2003 in Rente. Durch seine Frau haben die „Munich Caledonians“ eine schottische Tanzgruppe, jedes Jahr in dem Pfarrheim ein „Candlelight Service“ gemacht. Für die habe ich dabei auf den Pipes gespielt. Wir beide haben uns später dann immer wieder auf etlichen Veranstaltungen getroffen.

Wochenendkurs bei den Clan Pipers (1986) in Frankfurt. Die Lehrer: Wilson Young (D), Bob McCroskie (P), Jack Chrichton (P) und Bob Shepherd (P). Mike ist der dritte von links. Gerrit der vierte hinter ihm. Dieter steht genau vor der Bass Drum.

Bevor Du mit den Pipes angefangen hast, hast Du da schon andere Musik gemacht?
In Mönchengladbach war ich in einer Skiffle-Gruppe. Dort spielte ich Waschbrett, lernte bei einem Trompeter vom Stadttheater Trompete und spielte die auch in unserer Gruppe. Wir nannten uns dann Monks Town Jazz Society. Fünf Mann: 2 Trompeten, 1 Klarinette, 1 Banjo und von Zeit zu Zeit ein Baß. Nix großartiges, aber mit viel Enthusiasmus. Neben andere Auftritten spielten wir auch einmal auf einem Rheindampfer. Nach meiner Lehre (1961) ging jeder seiner Wege und ich in den Gladbach Rheydter Reiterverein, in dem ich dann einen Jagdhornbläserchor gründete. Diese Aktivität betrieb ich noch bis ca. 1984 in München. Einer meiner Gags war, das Horn im vollem Galopp zu blasen. Einmal mußte ein Zahn dran glauben: bei der Erdinger 750-Jahrfeier hat mein Pferd gescheut als ich grade den Schwedenrückzug einblies. Parallel dazu spielte ich schon Pipes. Damit habe ich nach den Reitstunden die Leute genervt und mehr noch die Pferde.

Nun frage ich Dich aus über Deine sportliche Seite. Etwas hast Du oben darüber schon erwähnt. Sport berührte ja auch stark die schottischen Ereignisse, welche Du gefördert hast.
Schulsport = 0. Aber in der Lehre traf ich einen guten Kollegen. Durch ihn habe ich Leichtathletik gemacht und bin gelaufen ohne Ende. Ein Fahrrad von der mir vorgestellten Güte konnte ich mir damals nicht leisten. 1961 habe ich das Reiten begonnen und machte das 25 Jahre. 15 Jahre davon war ich Reitlehrer und gab Kurse im Basisbereich. Seit 1978 bin ich mit dem Rennrad gefahren und habe 1982 den bayrischen Vierkampf bestritten. Das heißt, 100 km Radfahren, 30 km Langlauf, 10 km Laufen und 1,5 km Schwimmen. Das Langlaufen war extra im Winter. Mann war ich gut!

Links Mike

Links Mike

Das kann man wohl sagen Mike. Aber wann wurde der Sport schottisch?
Anfang der 80er Jahre begann ich mit den Disziplinien Tossing the Caber, Putting the Stone und Weight over the Bar. Damit habe ich schöne Erfolge auf den Games gehabt.

Natürlich hält der Sport einen vom Piping ab. Du hast ihn aber trotzdem betrieben neben der Musik und das ist schon eine große Leistung, denn wer macht schon beides, zum Beispiel auf den Games. Zweimal habe ich Games von Euch besucht. Das erste Mal 1985 mit einigen anderen Clan Pipers und das zweite Mal alleine. Meine Erinnerung darüber liegt etwas im Nebel. Ich glaube es gab dort auch Alkohol. Eines habe ich aber behalten. Es war dort wunderschön und Eure Gastfreundschaft war großartig. Betreibst Du immer noch Sport?
1995 mußte ich mich einen Schulteroperation unterziehen – die Schleimbeutel hatten mit dem Baumstammwerfen den Geist aufgegeben. 1999 dann ein schwerer Radsturz mit zerlegter Schulter again und damit auch das Ende mit dem Kraftsport. Bis auf ein wenig Gewichteln mache ich nach meiner Herz-OP im Jahr 2004 nur noch Radfahren – ja und die Pipes und das hoffe ich, noch lange.

 Wieviele Holzchanters hat Mike wohl mit seinen Fingern zerquetscht nach so einem Sport?  Wieviele Holzchanters hat Mike wohl mit seinen Fingern zerquetscht nach so einem Sport?
Wieviele Holzchanters hat Mike wohl mit seinen Fingern zerquetscht nach so einem Sport?

Das hoffen wir alle für Dich. Jetzt bitte einiges mehr über den Werdegang „Deiner“ Band.
Von der Munich Civilian Pipe Band habe ich mich mit einigen Leuten 1986 gelöst. Unter der Leitung von Dieter Mangels bildeten wir die „Munich City Pipe Band“. Später kamen Leute aus Augsburg dazu. Unter anderem auch Andy Hildenbrand. 1989 war es nötig, einen anderen Bandnamen zu finden: „Claymore Pipes and Drums“. Mit dem Andy begann eine neue Phase in der Band. Die Musik wurde sehr ernst genommen. Der Andy wurde dann PM und ist es noch heute. Er und Stefan Rau an der Seite als PS bilden ein gutes musical Leader Team. Dieter Mangels aber (ein netter ruhiger Mann), auch ein Pfeifer der ersten Stunde, unterstützt heute noch die Claymore P + D.

Links Mike, rechts Dieter Mangels.

Links Mike, rechts Dieter Mangels.

Nenne mir hier einige Unternehmungen und Ereignisse, welche Du und Deine Band erlebt haben.
Wir organisierten schon Ende der 70er Jahre Games. Weitere fanden von 1983 bis 1985 in einem Finsinger Privatgarten statt, und von 1986 bis 1988 auf dem Bolzplatz in Anzing. Ihr, die Clan Pipers und die Hamburger, habt uns dort besucht. Nach Hamburg sind wir dann auch auf die Games und den Contest gefahren. 1986 nahmen einige von uns an einem Wochenendkurs für P + D bei Euch in Frankfurt teil; und wie erwähnt besuchen Leute von uns Breubergkurse. An Contests nahmen wir zum erstenmal 1995 in Peine teil. Dann 1999 in Walwijk (NL). Machern wird von uns besucht und wir waren auch wieder in Peine 2004 und 2005. Alle Contests in Schotten haben wir ebenso mitgemacht. Mit einigen Leuten von uns war ich auf dem großen Schützenfestumzug in Hannover, zusammen mit anderen Vertretern verschiedener deutscher Pipe Bands. Meine Band hat auch die P + D in Karlsruhe und Stuttgart besucht für Kontakte und Erfahrungsaustausch. Natürlich spielen wir auch auf diversen Jobs vom Solisten bis zur Bandstärke.

2. v. l. Mike und 3. v. l. Andy Hildenbrand.

2. v. l. Mike und 3. v. l. Andy Hildenbrand.

Alleine hatte ich in Schottland mein erstes Erlebnis mit Martin Keßler. Es war in den 80ern auf den Worlds im Bella Houston Park in Glasgow. Am Verkaufsstand vom Piob Mhor (Mr. Ruthven Milne) stand ein Junge neben mir und wollte eine Pipe kaufen. Diesen jungen Mann habe ich dabei beraten. Daß er sich dann zum besten Pfeifer hier im Lande und erfolgreichen Solocontestspieler in Schottland entwickelte, ist eine tolle Sache. Natürlich haben Martin und ich auch heute freundschaftliche Kontakte. Im Jahr 2002 war ich auch in Schottland. Dort habe ich auf Staffa (Hebriden) in der „Fingals Cave“ gespielt. Für andere wohl nichts Besonderes, aber mich berührte diese Situation sehr stark.

Wie sind Deine Kontakte zur BAG? Du weißt, nur die BAG darf dieses Interview in ihrer Zeitschrift veröffentlichen. Ich habe schon mit Karola Brinckmann darüber gesprochen. Meine Wahl, Dich zu interviewen, findet sie gut.
Meine Beziehung zur BAG wurde leider durch frühe negative Erfahrung mit Peter Brinckmann getrübt. Dagegen hatte ich viele gute Erfahrungen mit Euch Clan Pipers, den Karlsruhern und anderen gemacht. Ihr habt uns unterstützt und z.B. unsere Feste mit Eurer Anwesenheit bereichert. Das wären aber jetzt die unendlichen Geschichten. Meine (unsere) Begegnungen mit Dir und Deinem Umfeld waren nachhaltig (siehe heute).

Vielen Dank für dieses schöne Kompliment. Es war und ist ja immer mit allen Bekannten ein Geben und Nehmen.
Klar, und ungetrübt durch erste Begegnungen mit dem Peter Brinckmann habe ich trotzdem unseren Nachwuchs nach Breuberg geschickt. Die Sache, die dort aufgebaut wurde sucht Vergleichbares. Meinen Frieden mit Peter Brinckmann habe ich vor 3 Jahren gemacht. Hier in München haben wir die KO-Kompetitions ausgerichtet und der Peter hat toll gespielt. Er war ein großer Musiker und soll auf einer Wolke sitzen und für uns alle die Pipes spielen.

Das wird er, und er wird sich auch freuen, daß das, was er aufgebaut hat Früchte trägt.

In dem ich mit Dir von Dir berichte, beleuchte ich eine Situation von einem Piper und Haudegen der ersten Stunde in diesem Lande. Eine Situation, die sich heutige P + D kaum vorstellen können. Früher standen Leute wie Du natürlich vor größeren Schwierigkeiten. Damals gab es eben nicht an jeder Straßenecke eine Band und spielte. Die Zahl der P + D stieg mächtig an. Aber damals! Wie schwer war es damals, genügend Leute zu bekommen. Besonders Trommler waren immer sehr gefragt.
Ich erinnere mich jetzt, als ich in Schottland im Urlaub extra einen Dachgepäckträger gekauft habe, und für Eure ersten Snaredrum-Spielerinnen Ati und Renate ihre Snares von Glasgow nach Frankfurt gefahren habe. (Von hier ging es mit Bahn weiter nach München). Mit den beiden hatte ich 1985 einen Sommerkurs der RSPBA in Glasgow besucht.

Mike

Mike


In einem Brief an mich hast Du Martin Keßler erwähnt und, dessen „schöne menschliche Anschauung“, daß die „alten Kämpen“ nicht vergessen sein sollen. Die „alten Kämpen“, und Du bist ein großer davon, werden mit Sicherheit nicht vergessen sein. Dinge mit gewissem Abstand zu betrachten, wenn die alten Finger nicht besser werden, heißt doch, einen größeren Überblick auf das Wesentliche zu bekommen. Du selbst sorgst ja auch dafür, daß alte Kontakte nicht abbrechen. Die Karte und die 30-Jahre alte Maltwhiskyflasche von Dir und Deiner Band an unsere Band (die Clan Pipers) anläßlich unserer 30-Jahrfeier in Neu Isenburg bei Frankfurt am 13. November 2004, zeigten dies auch.

Übrigens hat der Malt uns hervorragend geschmeckt, und hier ein Danke nochmals von den Clan Pipers dafür. Ein Danke auch von mir dafür, daß ich dieses Interview mit Dir machen durfte. Leider sind meine schriftstellerischen Fähigkeiten sehr begrenzt. Doch ich hoffe daß das, was ich über Dich ausdrücken wollte, verstanden wird. Ich wünsche Dir Gesundheit und Freude mit der Musik bei den Claymore P+D. Euch allen auch Erfolg für die Zukunft. Willst Du noch´n Tee?

Nach unserem letzten Treff auf dem P.B.-Contest in Schotten am 18.06.05, bekam ich von Mike noch einen Brief. Hier als Schluß des Interviews ein Auszug daraus:
[…] Was soll ich da noch d’rauf packen (auf das Interview) – soviel ist sicher – wenn man da irgendwann so eine Sache anpackt (eine Band zu betreiben) denkt man nicht daran, daß man das ’mal in 30 Jahren zu dokumentieren hat – du denkst auch nicht daran, daß du das mal von der jetzigen Warte betrachten sollst. Du willst das einfach, machst, packst es an, und wenn du Glück hast, dann triffst’e die richtigen Leute – so wie Dich und wenn es dein Naturell zulässt, dann läßt man auch nichts aus – und es gedeiht. Wenn ich heute sowas wie am Samstag erlebe (Contest Schotten 18.06.05), dann denke ich – siehst’e, da hab ich auch d’ran mitgearbeitet. Und das ist schön – längst ist ja alles zum Selbstläufer geworden – aber wir haben angeschoben. Heute machen andere Leute viel und die einzelnen Zellen reifen und wachsen – auch Dank Breuberg – man muß jetzt ganz schön kämpfen, um einen Blumentopf zu gewinnen – aber wir haben ja Nachwuchs und es macht mir auch Freude, dem ein bißchen in die Schuhe zu helfen. […]

Claymore Pipes + Drums 2002. Mike 6. v l.

Claymore Pipes + Drums 2002. Mike 6. v l.

(veröffentlicht in der BAG Info Dezember 2005)