The Never Ending Interview – 5. Bernd Mößle
Dies ist nun also das zweite Never Ending Interview, das ich führe. Da es doch einen gewissen Aufwand bedeutet, das Interview zu führen, aufzuschreiben, zu formatieren usw. habe ich mich diesmal auch versichert, dass ich die Staffel weitergeben können werde. Das Interview mit William Brown ist nun schon fast ein Jahr her. Mein Interviewpartner und ich haben es aus verschiedensten Gründen nicht geschafft, uns vorher zu treffen. Und dann gab es da noch verschiedenste Gründe, warum das BAG-Info seither auch nicht mehr erschienen ist. Am Sonntag, dem 09.03.08 sitze ich also am Rand der BAG Competition in Karlsruhe im Cafe mit Bernd Mößle. Bleibt noch anzumerken, dass Bernd am Abend des gleichen Tages noch die Peter Brinckmann Memorial Trophy für das Abschneiden als Overall Winner überreicht wurde. Bernd Mößle ist Pipe Major der Ehinger Pipes and Drums
Bernd: Ehingen Donau Pipe Band
Andy: Bernd hat soeben seinen Piobaireachd vollendet, nämlich was:
Lament for the Viscount of Dundee
Schönes, langes Stück.
Ja, ich bin auch noch ganz schön fertig.
Du bist jetzt wie alt?
24
Und hast angefangen?
Mit 10
Jetzt ist ja Pipen nicht das Hobby, was man in ländlichen Gegenden von einem Jugendlichen erwartet, wie kam das?
Ich bin durch meinen Vater dazu gekommen, der irgendwie so ein paar Jahre zuvor angefangen hatte. Dann habe ich zum 10. Geburtstag einen Practice Chanter geschenkt bekommen und jetzt bin ich ja schon so lange dabei.
Und wie war das als 15-jähriger, wenn die anderen in der Disco hockten oder auf dem Fußballplatz rumrannten? Oder hast du das auch noch mitgenommen?
Die ersten 3 Jahre habe ich nur Practice Chanter gespielt, denn da war in dem Alter die Disziplin nicht da, jeden Tag zu üben . Fußball hat mich nicht interessiert
Verstehe ich gut.
Und Disco war auch nicht so mein Fall. Ich meine, als Schüler hat man auch noch mehr Zeit. Ich kam mittags heim, habe eine Stunde Chanter gespielt und abends eine halbe Stunde Pipe, außer wenn mittags Schule war. Und dann hat man ja noch Zeit genug, um mittags mit den Kumpels zu verbringen.
Was haben deine Schulkameraden so gesagt?
Na, ja, die meisten haben halt gelacht. Aber die wussten ja in der Regel auch nicht, um was es eigentlich geht. Und, na ja. …
Da muß man halt durch
Ja.
Was hat dich eigentlich bei uns, beim Lernen, welcher Lehrer, welcher Methode, Veranstaltung am meisten nach vorne gebracht?
Mein Vater natürlich, der hat mir sehr viel gezeigt. Und was es früher gab, heute so gut wie nicht mehr, waren solche Wochenendtreffen, bei uns z. B. der Vogelhof, in Bad Waldsee, in Saulgau. Die Bands haben sich Freitag abends getroffen, ein wenig geübt, Spaß gehabt, und das hat mir ziemlich viel gebracht. Am Vogelhof war Manfred Deger. Wir hatten da eine Competition und das Publikum war Jury. Und Manfred kam dann auf mich zu und sagte mir, ich solle mir einen Lehrer suchen, der mir noch mehr zeigen kann. Das Problem damals war, dass ich so gut wie am Ende der Welt wohne und keinen Führerschein hatte.
Also das Ende der Welt ist „Asselfingen”?
Nee, aber wenn man keinen Führerschein hat, kommt man von dort nicht weg. Da war ich dann auf meinen Vater angewiesen. Ich wäre ja gerne zu einem Lehrer gegangen. Manfred hat dann so lange meinen Vater bearbeitet, bis er bereit war, mich einmal im Monat zu Stefan Rau nach Augsburg zu fahren. Von dem habe ich dann die ganzen Grundlagen von Marches, Stathspeys, Reels, worauf man achten muss, die ganzen Punktierungen. Das hat mir sehr viel gebracht. Und dann natürlich die Sommerschulen in Breuberg. Die letzten zwei Jahre Schottland, am College und die Workshops, die es das Jahr über gibt. Was mir allerdings Probleme macht, ist dass man keinen konstanten Lehrer hat. Wenn man nur einen hat, hat der seinen Stil und den nimmt man dann über kurz oder lang ebenfalls auf. Wenn man aber ständig verschiedene Lehrer hat… Letzte Woche war ich am College und hatte drei verschiedene Lehrer und jeder sagte was anderes, z. T. sich genau Widersprechendes. Und dann sitzt man da, 2 Wochen vor der Competition und fragt sich: was soll ich jetzt machen? Teilweise hat mich das mehr irritiert, als dass es geholfen hätte.
Könnte der Vorteil davon nicht sein, dass man verschiedene Stile kennen lernt und dann entscheiden kann, welcher einem am besten gefällt?
Ja, es gibt Lehrer, die akzeptieren, was du spielst und geben dir Hinweise, was man anders machen könnte, andere aber akzeptieren andere Stile schlichtweg gar nicht. Man will es ja auch jedem Recht machen. Aber dann kommt zwei Wochen später der nächste und man fragt sich: was soll ich jetzt machen? So ging’s mir vor 3 Jahren. Du gehst immer hin und her und weißt nicht, wonach du dich richten kannst. Man hat ewig das Gefühl, es geht überhaupt nichts weiter, weil es immer hin und her geht. Aber seither habe ich es mir schon selbst überlegt. Ich höre mir verschiedene Leute an und überlege, was mir gefällt. So entwickelt man dann einen eigenen Stil. Das macht vermutlich jeder so.
Vor 14 Jahren kamen ja gerade die Kunststoff-Dronereeds auf. Hast Du noch mit Cane-Reeds angefangen?
Nein, angefangen habe ich mit diesen Shepherd-Reeds mit den weißen Zungen, die immer abgebrochen sind. Ich habe mal Cane probiert, bin aber damit nicht klar gekommen, weil ich auch keine Ahnung hatte. Ich will auch mal Sheepskin probieren, wie das mit der Feuchtigkeit funktioniert und wenn das klappt, probiere ich wieder Cane. Das Jahr über hat man ja immer seine Competitions, wo man nicht gerade so an seinem Set rumspielen will und Dinge ausprobiert. Und im Winter ist dann die KnockOut, da muss die Pipe auch eine halbe Stunde konstant laufen.
Du hast das Stichwort gegeben. Knock Out. Du hast letztes Jahr gewonnen, bist Public Champion 2007. Wie hast Du Dich darauf vorbereitet, wie lange spielst Du schon Knock Out?
Das war jetzt meine zweite. Manfred Deger hat mich schon 2005 gefragt. 4 Wochen vorher. Da habe ich natürlich abgelehnt. 2006 habe ich zum ersten Mal mitgespielt. Knock Out ist mit anderen Competitions nicht vergleichbar, denn man benötigt ein völlig anderes Repertoire, denn du musst ja die Leute unterhalten und nicht einen Judge beeindrucken. Und dann ist da die Länge. Die halbe Stunde am Stück, die du dein Instrument im Griff haben musst. Ich achte das ganze Jahr auf mögliche Stücke, damit ich damit keinen Stress mehr habe. Und stelle dann 4-8 Wochen vorher mein Programm für die erste Runde zusammen und dann übe ich jeden Tag. Das ist ziemlich viel Arbeit, denn ich komme heim und denke: du musst üben: Ich habe jeden Tag ca. 1,5 h gespielt. Immer einen Tag Pipe, einen Tag PC, beides an einem Tag schaffte ich nicht. Aber es bringt richtig viel. Man lernt sein Instrument kennen. Schaffe ich eine halbe Stunde, ohne dass Drones ausfallen oder der Chanter matschig wird? Du übst ziemlich viel, die Finger laufen besser. Auch wenn es manchmal nur kitchen piping ist. Aber es sind Fingerübungen. Teils war es ziemlich stressig, wobei ich mir den Stress selbst gemacht habe. Ich wollte eigentlich nur die erste Runde überstehen und kam dann überraschend ins Halbfinale. Gegen Andreas Hambsch bin ich dann im Finale ausgeschieden. Aber ich hatte mir ziemlichen Stress gemacht, was dann auch dazu geführt hat, dass das Spielerische auch nicht mehr besonders war. Vielleicht kennst du das, wenn man sich auf etwas so versteift. Und 2007 lief es dann besser.
Offensichtlich.
Mit der ersten Runde war ich nicht so zufrieden. Das Halbfinale war richtig geil. Und das Finale fand ich auch nicht so toll, aber es hat dann doch gereicht. Das Halbfinale war einer von den Tagen, an denen es richtig gut läuft. Es hat richtig Spaß gemacht, zu spielen.
Vielleicht ist gerade das das Geheimnis: wenn man mit dem Ziel spielt, Spaß zu haben, anstatt irgendetwas erreichen zu wollen.
Ja, manchmal ist es schon so. Es führt wohl eher zu einem Gewinn, wenn man das Ziel hat, Spaß zu haben, als sich auf einen 1 .Platz zu versteifen.
Was möchtest du als Solo-Pfeifer noch erreichen? Was hast du dir vorgenommen?
Ich habe vor, dass ich meine Leistung konstanter mache. Das ist mein Ziel. Ich kann immer mal einen guten Tag haben und da auch mal was gewinnen, aber wenn’s am nächsten Tag wieder nichts ist… Mein Ziel ist, dass ich immer, wenn ich die Pipe in die Hand nehme, die gleiche Qualität erzeugen kann. Ohne dass ich mir überlegen muss, habe ich jetzt einen guten oder einen schlechten Tag. Klar und übers Jahr die ganzen Competitions mitmachen. Mal sehen, vielleicht gehe ich auch nach Schottland, ans Piping Center, weil es ja da diesen Clasp gibt für die Amateurpfeifer. Das sind etwa die gleichen Anforderungen wie bei uns.
Deine Pipe ist ja etwas ganz Besonderes. Die Besonderheit ist nämlich: sag’s!
Dass ich sie selbst gemacht habe.
Du bist ja…
Schreiner.
Wo arbeitest du eigentlich genau?
Bernd: Ich habe meine Lehre in einem Betrieb in Langenau gemacht, direkt danach den Zivildienst, da ich dort weg wollte. Zivi war ich in einer Werkstatt für psychisch Kranke. Die waren normal, manchmal musste man halt etwas dreimal sagen. Und da war eine Schreinerwerkstatt. Dann war ich ziemlich lange auf Jobsuche. Die Zeit war schwierig. Die Lebenshilfe, die die Werkstatt betrieb, suchte einen Leiter, wollten mich nicht, da ich zu jung war. Dann ging der Leiter der Werkstatt, in der ich jetzt bin, zur Lebenshilfe, und ich konnte in der Schreinerei anfangen.
Willst Du noch den Meister machen?
Das lohnt sich überhaupt nicht. Man zahlt erstmal eine Menge Geld und braucht dann fast 20 Jahre eines Meistergehaltes, um das wieder reinzubekommen. Ich arbeite lieber geregelt, komme abends heim und kann noch Pipe spielen. Das ist mir ziemlich wichtig. Es hat sich irgendwie so eingeschlichen. Ich wohne noch bei meinen Eltern, wegen meiner Hobbies, Pipen und Drechseln. Da ist es einfach schwer, eine Wohnung zu finden.
Wo man einfach so seine Drehbank reinstellt.
Ja, genau. Für mich muss es einen Sinn habe, was ich mache. Und jetzt nur auszuziehen um auszuziehen erachte ich nicht als sinnvoll. Mal sehen, was sich in nächster Zeit ergibt. Vielleicht wird das mal der Fall sein.
Wenn die Biologie zuschlägt?
Kann sein.
Erzähle mal, wie du dazu kamst, selbst eine Pipe zu bauen. Hattest du da so was wie eine Bauanleitung oder hast du das völlig frei erfunden?
Es kam so dazu, dass mich Stefan Rau
.. .der Ältere
Ja, der aus Augsburg, der hatte mich zum ersten Mal auf eine Competition mitgenommen und als wir so zusammen saßen fragte er, was machst du so und ich sagte, ich hätte gerade meine Schreinerlehre angefangen, und er sagte, ja, dann kannst du deine Pipe ja selbst bauen. Und im dritten Lehrjahr sagte ich mir: warum eigentlich nicht. Dann habe ich mir das Holz besorgt, damals noch aus England, und das Kunstelfenbein und die Ferrules und das ganze habe ich damals aus Edelstahl gemacht, weil Silber läuft halt an und ich wollte nicht ständig putzen. Edelstahl ist pflegeleicht. Habe dann die Pipe, die ich damals gespielt habe ausgemessen, das war Gillanders and MacLeod, vielleicht nicht die brillanteste Vorlage, die man wählen kann, aber für den Anfang zum Ausprobieren in Ordnung. Habe sie auch zwei bis drei Jahre gespielt. Als ich dann meine zweite Pipe gebaut habe, wollte ich eine andere, bestimmte ausmessen. Der Besitzer war aber nicht so angetan von der Idee. Dann war damals der Piobaireachd Workshop in Weikersheim und Arthur Gillies erlaubte mir, die Pipe auszumessen, ich glaube das war 2003 im Februar. Habe sie dann auch ziemlich schnell gemacht, denn ich hätte gerne gehabt, dass Arthur sie noch hört auf der Sommerschule, aber er ist dann leider kurz vorher in dem Jahr gestorben. Seither spiele ich die Pipe.
Arthur hätte sich sicher sehr gefreut. Das ist also jetzt deine zweite Pipe, die du spielst.
Ja, die zweite. Ich habe dann noch eine dritte gemacht, für Marie, praktisch eine Kopie von Stefans Pipe, einer Henderson von 1930, und sie ist bis jetzt zufrieden, wie ich mit Stolz sagen kann.
Aber die Chanter hast du nicht selbst gemacht?
Nee, weil das Werkzeug, das man dafür braucht, ist richtig teuer und es gibt ja genug Hersteller, die gute Chanter bauen. Von den Pipes bin ich nicht immer überzeugt. Es gibt Hersteller, die produzieren halt für die Masse und man hört den Unterschied zwischen einer solchen, sicher auch guten Pipe, und einer richtig guten Solo-Pipe. Erstere sind gut für Band-Spieler, die sind günstig, zuverlässig. Aber da fehlt halt schon noch der letzte Schliff im Klang. Wenn man sich anschaut, was auch in Schottland — angeboten wird und angepriesen als weltbeste Qualität!! Und man sieht schon von außen, dass es nicht einmal gut verarbeitet ist.
Welche Pipes gefallen Dir persönlich am besten ?
Direkt kann ich das gar nicht sagen. Naill war mal ziemlich gut. Vor etwa 10 Jahren, aber die sind mittlerweile wohl auch mehr auf Masse aus. Zwei, drei Leute in der Band spielen Naill von damals. Die sind stabil, gut zu stimmen und haben einen guten Klang. Von den neueren bin ich nicht mehr so überzeugt. Was natürlich schön ist, sind die alten Pipes, vor allem die etwas tiefer gepitchten. Wobei natürlich auch nicht jede alte Pipe gut sein muss.
Ist es eine Möglichkeit, die du mal erwägt hättest, davon leben zu können, ich meine: hauptberuflich Pipes zu bauen?
Ja. Ich bin jetzt ein wenig am Aufbauen einer Werkstatt, wo ich Reparaturen anbieten kann oder auch mal auf Auftrag eine Pipe bauen kann, wenn jemand unbedingt will. Die sind dann nicht unbedingt billig, aber erstens ist es dann wirklich Qualität und mit den Reparaturen ist es so: wenn Dir jetzt was kaputt geht und Du schickst es nach Schottland, willst du es natürlich so schnell wie möglich zurück haben, und bekommst es dann vielleicht nach 5 bis 6 Monaten, zahllosen E-Mails und Telefonaten endlich wieder zurück, wie einem bei uns in der Band passiert. Irgendwann kam’s dann, und er musste eine horrende Summe dafür zahlen. Wenn man das vor Ort machen lassen kann, ist es schneller, günstiger ..
Da fällt mir doch ein, dass ich schon seit Jahren einen Riss im Topjoint meiner Bass Drone habe, da könnte man ja mal drüber reden.
Das ist komisch, dass du das jetzt sagst. Du bist nämlich schon der Dritte, der mich wegen eines Risses im Topjoint der Bass Drone anspricht. Komisch, dass es immer oben ist.
Und bisher war tatsächlich das der Grund: dass ich nicht wusste, wie lange es dauern würde, bis ich ein Ersatzstück bekomme. Aber jetzt sieht das ja anders aus. Wieviel Pipes müsstest du denn schätzungsweise pro Jahr herstellen, um davon leben zu können?
Ich habe mich noch nicht richtig rein vertieft, aber für eine Pipe brauche ich ca. 30 Stunden. Das heißt, pro Woche schafft man 1,5 bis 2 Pipes, wenn’s gut läuft. Also im Monat müssten es schon 6, 7, 8 sein. Aber das ist alles nur eine grobe Schätzung.
Das würde ja dann gerade passen, mit 2 Pipes pro Woche, aber du müsstest sie auch loswerden.
Das ist das Problem. Ich weiß ja nicht, wie lange der Markt noch anhält. Im Moment ist es noch ziemlich gut. Die Pipes gehen im Preis ziemlich rauf.
Wie wählst du denn das Holz aus?
Ich beziehe es jetzt direkt von einem Händler in Südafrika, der sich spezialisiert hat auf Hölzer für Musikinstrumente. Oboen, Fagotte, Klarinetten, Pipes. Und deren Auswahlverfahren, jedenfalls, wie sie es im Internet beschreiben, ist wirklich gut. Vom Fällen bis zur Selektion ist alles top und die Qualität ist wirklich gut.
Hast du mal versucht, aus anderen, einheimischen, Hölzern Pipes zu bauen?
Ich hab’s schon mal überlegt. Das Problem mit unseren Hölzern ist, sie sind nicht wirklich fäulnisbeständig und du weißt ja, wie es nach einiger Zeit in einer Pipe aussehen kann. Blackwood ist beständig, weil es ziemlich ölhaltig ist. Unsere Hölzer nehmen auch ziemlich schnell Feuchtigkeit auf und quellen. Wenn man dann stimmen will und das Ding hängt fest.. lch will es aber schon mal versuchen, überlege noch, welche Hölzer dafür in Frage kommen.
Woraus macht man denn üblicherweise Blockflöten? Die werden ja auch immer nass.
Buchs, Blackwood, Ebenholz
Blockflöten in schwarz?
Ja, das gibt’s. Was früher verwendet wurde, Cocoswood, allerdings ist diese Bezeichnung verwirrend, eigentlich muss man nach dem lateinischen Namen gehen, denn es gibt zig Sorten cocoswood. Das weiß keiner mehr, was tatsächlich genommen wurde. Das soll noch besser sein als Blackwood. Ich habe noch Holz für eine Pipe, Mopanie heißt das. Das soll so sein wie Blackwood, aber im Klang noch wärmer, und wenn ich mal das richtige Werkzeug habe, möchte ich’s mal probieren.
Und das Werkzeug bekommst Du aus Schottland?
Nein, ich will mir spezielles Werkzeug machen lassen, das richtig teuer ist, und ich weiß gerade nicht, wie ich mir das leisten kann. Ich will dann ein Werkzeug mit Wechselschneiden, Wendeplatten. Denn wenn man ein Werkzeug hat, das man nachschleifen muss, hat man immer etwas Verlust vom Durchmesser, dann passt das alles nicht mehr. Da das schnell stumpf wird, möchte ich dann einfach eine neue Wendeplatte einsetzen und habe wieder genau das gleiche Maß wie vorher.
Wenn man Pipes baugleich machen möchte, ist es dann nicht einfacher, das von einer CNC Maschine fräsen zu lassen? Einfach den Block einspannen, Daten eingeben und die Maschine macht lauter gleiche Pipes?
Bernd: Ja das geht, MacCallum macht das so. Nur das Combing machen sie von Hand. Bei der Außenform finde ich das gar nicht schlecht. Das spart Zeit. Aber die Bohrung selbst ist von Hand gemacht und sauber auspoliert einfach qualitativ hochwertiger, als wenn man mit der Maschine voll reinfährt, weil das Holz doch so seine Eigenschaften hat. Besonders Blackwood hat ziemlich viele Einschlüsse, die man von außen gar nicht sieht. Das sieht astrein aus, gerade Maserung, feinjährig. Dann dreht man es ab und plötzlich kommt doch ein Ast raus oder ein Pore. Deshalb ist es auch so teuer, weil man einen Haufen Verschnitt hat. Ich glaube 50% werden weggeworfen.
Hast Du auch schon Practice Chanter hergestellt? Das müsste doch einfacher sein, da sie nur eine zylindrische Bohrung haben.
Nein. Das Problem beim PC ist, die Bohrung auf die Länge gerade durchzukriegen. Die hat ja nur einen geringen Durchmesser. Nur 4-5 mm. Bei der Pipe habe ich einen speziellen Bohrer daheim, der heißt Kanonenbohrer, druckluftgekühlt, d. h. die Luft wird durch den Bohrer durchgepresst, kühlt die Spitze und transportiert gleich das Material mit raus. D. h. man kann in einem Stück durchfahren. So ein Ding ist relativ teuer und ich weiß gar nicht, ob es das in dem geringen Durchmesser überhaupt gibt.
Wie werden die in Schottland gemacht? Die müssen es ja auch irgendwie hinkriegen.
Wir waren mal bei Kintail in der Werkstatt. Die hatten Drechselbänke dort wie anno dazumal. Die Kanonenbohrer kann man auch selbst herstellen, die halten dann halt nicht so lange, weil sie nicht so hart sind und die hatten einen Bohrer, 30-40 cm. Das hat ausgesehen wie ein dünner Draht. Eine Spitze vorne drauf und das war’s. Ich meine, das Ding war nicht einmal gerade. Und damit bohren die die Dinger, aber es scheint zu funktionieren. Da habe ich mich auch gewundert.
Zu einem weiteren Thema: Du bist ja nicht nur ein erfolgreicher Solist, sondern eben auch Pipe Major einer Band. Seit wann hast du die Band übernommen?
Das ist eine gute Frage. 2005 oder 2004.
Das war kein so klar definierter Übergang?
Das war mehr fließend. Ian, unser damaliger Pipe Major, hatte private Schwierigkeiten und war nicht mehr so oft da. Und wenn in der Band keine führende Person da ist, geht es über kurz oder lang mit der ganzen Band bergab. Da macht jeder was er will und es wird nicht mehr geprobt. Ich habe den längsten Anfahrtsweg zur Probe, fast eine Stunde. Und wenn man eine Stunde hinfährt und eine zurück und das letztlich für nichts, dann regt mich das auf. Irgendwann haben sie dann gesagt, ich soll’s doch übergangsweise machen, bis Ian seine Probleme gelöst hat. Ja, und dann ist Ian ja gestorben, etwa ein Jahr später. Und so bin ich dann da reingerutscht.
Unabhängig von irgendwelchen Wertungen: was machst du anders? Oder anders gefragt: worauf legst du besonderen Wert?
Gut, in der Übergangszeit wusste ich ja selbst nicht, was ich machen soll. Ian hatte damals schon etwas resigniert, weil mit den Leuten nichts vorwärts ging. Viele haben geschäftlich viel zu tun und kommen wenig zum Üben. Klar, Geschäft geht vor, man lebt davon. Ich lege viel Wert auf Disziplin. Wenn wir spielen, wenn wir Musik machen, soll das immer gleich sein. Egal, ob wir proben, einen Auftritt vor 3000 oder vor 2 Leuten haben. Es soll konstant sein. Auch das ganze Drumherum mit Pipes Up, Pipes Down und so. Das gehört dazu. Das ist Voraussetzung, dass man überhaupt arbeiten kann. Wenn man an dem noch rumarbeiten muss, was willst du da machen, wenn einer seine Pipe noch nicht im Griff hat? Was will man da mit Technik machen, vom Spielerischen her? Im Moment läuft es ziemlich gut. Das Problem ist halt, dass wir keine Trommler haben.
So hat jede Band halt ihr Problem, wir haben keine Pfeifer.
…ja so ziemlich gar keine.
Nutzen wir doch diese Gelegenheit, um mal ordentlich Werbung zu machen: Kommt doch nach Stuttgart, dann habt Ihr ordentliche Trommler und…
Da sag ich jetzt nichts dazu.
Woran merkt Deine Band, worauf du Wert legst?
Woran? Ich sage einfach, was ich Sch. ..e find. Und ich werde da ziemlich deutlich. Dann lasse ich auch mal die Sau raus. Da sagst du was zweimal, du sagst es dreimal aber irgendwann….Wir hatten früher Proben, da haben wir jedes Mal wieder bei Null angefangen und irgendwann kotzt dich das an. Das gibt’s doch nicht, irgendwann muss es doch da oben drin sein, oder? Und dann platzt mir der Kragen und dann sage ich es halt. Und dann funktionierts meistens auch.
Passiert es dann nicht, dass der eine oder andere sagt, ich lasse mich doch nicht von dem Mößle da anmachen, dann halt nicht. …?
Das weiß ich nicht. Ich bekomme da nichts mit. Sie versuchen schon umzusetzen, was ich sage. Natürlich kann man nicht alles umsetzen, das weiß jeder, aber sie versuchen es schon.
Und wie viele seid ihr jetzt?
Wie gesagt: fast keine Drummer.
Was heißt fast?
Der Bassdrummer beschwerte sich, dass keine Snares kommen. Da hat er natürlich auch Recht, aber wenn alle so denken, wird das nie was. Die SideDrummerin bildet jetzt gerade zwei Junge aus. Die sind noch sehr jung.
Also eine Side, eine Bass?
Ja, und das auch so mal ja mal nein
Und Pfeifer?
Pfeifer sind wir bei den Proben durchschnittlich 10, die wirklich bei jeder Probe dabei sind. Da kann man wirklich arbeiten. Wir haben jetzt unsere ganzen Standards, Green Hills, When the battle is over und das ganze Zeugs vollständig überarbeitet, die ganzen Fehler rausgenommen, die groben jedenfalls. Wenn sie permanent kommen, kann man das natürlich machen. Wenn einer kommt und dann vier Wochen später wieder, dann fängt man wieder von vorne an. Aber das kennst du ja auch.
Jau. Du hattest sicher selbst schon einige Schüler gehabt?
Ja, mittlerweile schon. Früher war es wenig, da ich relativ weit von der Band weg wohne und bei uns in der Umgebung ist da nicht viel.
Spielen die noch alle?
Bei Gott nicht. Die, die noch in der Band spielen. Die vorher, 3, 4, 5, die haben alle aufgehört nach einer Weile. haben sich einfach nicht mehr blicken lassen.
Was glaubst du woran das liegt, oder anders: Welche Eigenschaften muss deiner Meinung nach jemand mitbringen, um Pipe zu lernen?
Es kommt darauf an, was du daraus machen willst. Das ist wie Geige oder Klavier, d. h. man kann es nebenher machen, so klimpern, oder man hat das Ziel, tolle Musik zu machen. Das kommt auf die Einstellung an. Wenn ich unterrichte, erwarte ich, dass derjenige mehr daraus machen will, da ich meine Zeit nicht damit verschwenden will, jemanden zu unterrichten, der nicht das Ziel hat, gute Musik zu machen. Es kamen ja auch schon welche mit dem Ziel, nach einem halben Jahr Amazing Grace auf einem Geburtstag zu spielen, mehr wollten die nicht. Hatten einen Pakistani für 200 Mark, von dem man erst mal eine Staublunge bekommt. Das lehne ich dann auch dankend ab. Wenn jemand will, unterrichte ich auch gerne. Wobei es auch welche gibt, die wollen und können aber nicht. Aber was sagt man dann zu denen. Der Wille ist da, aber es geht nichts vorwärts. Es gibt da wohl zwei verschiedene Arten von Menschen. Dass man jemanden findet, der kann und will sind höchstens drei aus zehn. In der Band haben wir da ziemlich Glück. Wir haben 4 junge Pfeifer im Alter zwischen 17 und 20.
Und dann noch ein paar so Alte wie Dich?
Nicht, dass ich schon alt wäre, aber das merkt man doch. Die wollen auch. Die hören sich auch Competitions, CDs usw. an und erkennen einfach, was machbar ist auf dem Instrument. Und die wollen dann auch.
Gab es in den 14 Jahren auch Zeiten, in denen du dein Spielen unterbrochen hattest, oder sozusagen auf Reserve gefahren bist, z. B. nur noch auf Band-Proben?
Nein, das gab es nie. Es gab wohl Zeiten, in denen ich mich gefragt hatte, wozu machst du das. Du könntest jetzt auch mit den anderen am Baggersee liegen und dann steht man halt doch mit der Band irgendwo. Klar, das macht auch Spaß, aber die Momente gibt es, in denen man sich die Frage stellt, ob sich das alles lohnt. Aber es gibt halt auch die Momente, in denen alles super läuft und dafür lohnt es sich dann doch. Also Pausen habe ich nie gemacht. Vor 3-4 Jahren hatte ich so eine Phase, in der ich nicht mehr so konzentriert war. Ich hatte wohl gespielt, aber nicht darauf geachtet, was ich spiele. Das hat man dann auch gemerkt. Das habe ich wirklich büßen müssen. Es hat 3-4 Jahre gebraucht, bis ich das wieder hochgefahren habe, was ich schon mal gekonnt hatte.
War das vielleicht gerade in der Zeit des Umbruchs, als auch Ian seine Probleme hatte?
Ja, auch. Damals war es eine wirklich tolle Zeit mit der Band. Die Band ist eher familiär. Man macht sehr viel gemeinsam. Ich mag das auch. Klar, während der Proben muss die Disziplin da sein, danach ist mir auch egal, was wir machen. Und damals hatten wir eine gute Zeit. Als dann die Probleme bei Ian aufkamen, gab es ziemliche Reibereien. Ich habe dann auch gesagt: Ich fahre zwei bis zweieinhalb Stunden für die Probe, zweimal die Woche und dann kommen nur Streitereien raus. Das waren keine Proben mehr, nur Rumgesitze. Ich wollte Musik machen. Und für mich ist das ein Unterschied, ob man „nur” Pipe spielt, oder Musik macht. Ich finde, es ist ziemlich schwierig, auf dem Instrument Musik zu machen. Das war damals sicher auch das Problem, dass mir auch der Zug gefehlt hat. Aber darüber bin ich weg. Ich habe sogar noch einen Schritt nach vorne getan.
Ihr probt zweimal die Woche?
Ja, Mittwoch und Samstag. Ob es was bringt, weiß ich nicht. Früher sicher nicht, da war es oft, wie gesagt, nur rumsitzen, aber mittlerweile läuft es ganz gut. Es gibt heute auch mal Proben, die nicht so laufen, wo man nur PC spielt, oder nur redet, aber das ist in Ordnung, wenn die nächsten Proben dann wieder gut laufen. Ein Ausrutscher dazwischen macht kein Problem. Wichtig ist, dass es nicht einreißt, dass die Leute nicht das Gefühl haben, sie gehen zum Stammtisch.
Du weißt, dass mit dem Interview die Verpflichtung einhergeht, jemand weiteres zu interviewen. Hast du dir schon überlegt, wer das sein könnte? Keine Namen, versteht sich.
Ich habe mir schon Gedanken gemacht. Es wird wohl wieder jemand werden, der schon wesentlich länger in der Szene ist, als ich. Der die Sache noch von früher kennt. Die Schwierigkeiten, die es so in den Anfängen der BAG gab. Das habe ich alles ja gar nicht mitbekommen.
Die Gnade der späten Geburt, sozusagen.
So kann man es auch sehen.
Aus dem Schwäbischen von Andy Fluck