The Never Ending Interview – 3. Dr. Andy Fluck

Interview_3_AF_1Am 14. Januar 06 war ich endlich auf dem Weg nach Karlsruhe, leicht verzögert durch persönliche und terminliche Schwierigkeiten und schon leise von der BAG-Info-Redaktion angemahnt. Als der von Peter Bergschmidt interviewte hatte ich Andy Fluck ausgewählt, als einen Mann der mittleren Generation in der Pfeiferwelt, stark integriert in der Szene, eben auf der Höhe der Zeit. Andy hat meiner Bitte um ein Interview im letzten Jahr in Schotten gerne stattgegeben.

Ich kenne Andy seit den späten achtziger Jahren, als die damals noch unter Munich City Pipe Band firmierende Truppe regelmäßig in Karlsruhe zum Trachtenfest eingeladen war. In seinem schmucken Haus im ehemaligen Amerikanerviertel von Karlsruhe angekommen, entwickelte sich bei einer sehr guten Tasse Kaffe gleich ein intensives Gespräch. Schnell stellte man fest, dass der Stoff unendlich ist. Interview führen ist ja nun nicht meine tägliche Arbeit und mir wurde klar, welch aufwändige und gute Arbeit meine Vorgänger Martin Kessler und Peter Bergschmidt geleistet haben. Mir war es wichtig, nach den vergangenen Interviews eher in der Gegenwart zu bleiben und die Jugend unserer Szene nicht zu sehr mit den alten Geschichten zu konfrontieren.

So wollen wir es denn angehen.

Andy, wo stehst Du zur Zeit als Pfeifer?
Ich bin derzeit P/M der Stuttgart University Pipe Band (SUPB), die sich aus den Vorläufern SUPB und Badelonian Pipe Band, Karlsruhe, zusammensetzt. Dabei werde ich so hervorragend von unserem Pipe Sergeant Stefan Schmidt unterstützt, dass ich mich voll darauf konzentrieren kann, meine musikalischen Vorstellungen in der Band umzusetzen.

Als Band-Competitor, BAG Open Pipe Band Competition in Schotten.


Welchen Stellenwert haben Competitions für Dich?
Competitions dienen der Niveausteigerung und bieten die Möglichkeit, den Trainingserfolg bewerten zu lassen. In Deutschland sehe ich dabei die Gefahr, der Illusion zu erliegen, das Erreichen einer lokalen Qualitätsstufe wäre schon mit einem absoluten Niveau gleichzusetzen. Oder anders gesagt: In Schottland weht noch mal ein ganz anderer Wind.

 

Kann man die Musik bei uns in Reinform erreichen?

Als Moderator und Organisator. BAG Competition in Karlsruhe.

Das ist die Frage des Maßstabs, den man anlegt. Ein Bierzelt voller Seliger gibt einem schnell den Eindruck von Göttlichkeit. Aber wie gesagt: In Schottland weht ein ganz anderer Wind. Auch unsere besten Bands würden von fast jeder schottischen Schulband in Grund und Boden gespielt werden. Deshalb bin ich auch ein leidenschaftlicher Gegner eines deutschen Grading-Systems. Dies würde nur zu weiterer Verblendung der Art: „Hey, wir sind upgegradet worden, also sind wir gut“ führen. Bei einer Major Competition würde das immer noch nicht viel mehr bedeuten als:. „früher waren wir im letzten Drittel, jetzt sind wir im Mittelfeld“. Es gibt ein Grading-System und das sollte für alle gleich sein, damit man eben den gleichen Maßstab an alle anlegt.

Was hatte das Konzert in Frankfurt für einen Einfluß?

Es hat auch Nicht-Insidern die Möglichkeit gegeben, festzustellen, dass es sich bei den Pipes um ein vollwertiges und ernst zu nehmendes Musikinstrument handelt. Natürlich leidet der Ruf der Pipes etwas am Straßenmusiker-Image. Ebenso wie Blockflöten am Weihnachtsbaum-Image leiden. Nur wenige Menschen haben bisher mal ein gutes Blockflötenkonzert gehört. Und nur wenige Menschen haben bisher ein gutes Pipe-Konzert gehört. Diese Möglichkeit haben die Clan Pipers ihnen gegeben.

Wie wichtig und authentisch siehst Du den Trachtenhintergrund?
Ich bin mir darüber im Klaren, dass es sich nicht um unsere eigene Kultur handelt. Vielmehr bewegen wir uns zwischen einer kopierten und einer nachempfundenen Kultur. Die Kopie ist zwangsweise immer schlechter als das Original. Beim Nachempfinden wird man sich dessen bewusst, dass diese Kultur eben nicht nur aus Dudelsackmusik, sondern auch aus deren gesamten Kontext besteht. Die Tracht spielt hier eine wichtige Rolle.
Große Ähnlichkeiten sehe ich übrigens zwischen der (unterstellten) schottischen und der deutschen Mentalität, insbesondere im Hinblick auf Disziplin und Selbstdisziplin. Letzteres scheint mir leider immer stärker verloren zu gehen.

Trophäenträger I. BAG Competition in Karlsruhe.


Du schreibst die Editorials im BAG-Info. Wie kam es dazu?

Ich bin schon lange ein Hintergrund-Täter in der BAG. D. h. dass ich, wo ich konnte, deren Arbeit unterstützt habe, so wie ich immer den Eindruck hatte von ihr unterstützt zu werden. Dazu braucht es keinen Titel oder Vorstandsposten. Die Idee, ein Editorial ins Info aufzunehmen, stammte von Klaus Linhart, der Vorstand bat mich, es zu tun und jetzt schreibe ich.

Woher nimmst Du die Themen dafür?

Ich versuche natürlich immer, auf aktuelle Vorgänge einzugehen. Ansonsten handelt es sich dabei um meine persönlichen Gedanken zu diesen Themen. Die will ich mehr als Diskussionsanstoß denn als Wahrheit verstanden wissen. Meistens beziehe ich darin auch nicht eindeutig Position, sondern versuche eine Fragestellung von verschiedenen Seiten zu beleuchten.

Wie siehst Du Breuberg?
Ich denke, es ist die beste und inspirierendste Möglichkeit, in Deutschland Pipes zu lernen. Problematisch ist, dass für einen Teil der Schüler der gesellschaftliche Anlaß Breuberg wichtiger zu sein scheint als der musikalische Anlaß Breuberg. Auf der anderen Seite ist es natürlich schön zu sehen, wie eine Veranstaltung, die Peter Brinckmann mal mit sieben Schülern begonnen hatte, zu heutigen Dimensionen angewachsen ist. Auch der Umstand, dass die unteren Kursstufen mittlerweile von Lehrern aus den eigenen Reihen mit Erfolg unterrichtet werden, zeigt, wie viel sich in der Zwischenzeit getan hat.

Inzwischen kommt ein köstliches Abendessen auf den Tisch.
Unterdessen fällt mir immer wieder auf, dass Andy mit seinem Jüngsten ständig fließend italienisch spricht. Der kleine antwortet zwar beharrlich auf deutsch, aber genau auf die Fragen, die Andy stellt, wie er mir versichert. Das führt mich zur nächsten Frage:

Trophäenträger II. Arthur Gillies Memorial in Weikersheim.


Woher kommst Du?
Geboren bin ich 1965 in Italien, da meine Mutter, selbst Italienerin, ihr erstes Kind unbedingt in ihrem Heimatort zur Welt bringen wollte. Ich würde mich als deutschen Europäer bezeichnen. Aufgewachsen bin ich in Karlsruhe mit kurzen Aufenthaltsperioden in Italien.

Wann und wie bist Du zu der Musik gekommen?
Angefangen hat es mit Kinderliedern und Blockflöte. Danach wollte ich Klavier und musste Geige spielen, was für alle Beteiligten eher unerfreulich war. Nach vier Jahren Geige begann ich mit der Gitarre als Autodidakt. Gesungen habe ich immer, zur Gitarre, im Schulchor, zwei Jahre in einer Funk-Band, später in einem Kantatenchor. Schon mit 15 Jahren erzählte ich jedem, der es hören wollte oder auch nicht, dass ich mal Dudelsack spielen werde, was ich dann mit 21 Jahren nach einer Begegnung mit der Badelonian Pipe Band in Karlsruhe auch tat.
Woher ich die Idee hatte, weiß ich nicht so genau. Jedenfalls hatte ich auf dem Rückweg von der Schule, die acht Kilometer von meinem Wohnort entfernt lag, gerade im Spätsommer immer das Bild vor Augen, wie toll es doch wäre, wenn da einer im Feld stünde und Dudelsack spielen würde. Als ich das Instrument dann endlich aus 1 m Entfernung live hörte, war mir klar: das ist genau das, was ich schon immer spielen wollte.
Zwei Monate nach dieser Begegnung bekam ich meine erste Pfeife, vier Monate später war ich zum ersten Mal auf einer BAG Sommerschule, damals noch in Rüsselsheim, sechs Monate später habe ich die Leitung der Band übernommen.

Andys Markenzeichen in der damaligen Zeit war ein langer dünner Haarzopf. Darauf angesprochen zieht er das im Endstadium immerhin 57 cm lange Stück aus einem Döschen heraus. Den Mandarin-Fingernagel, an dem man ihn damals auch erkennen konnte, hat er allerdings nicht aufbewahrt.

 

Piobaireachd Competition in Weikersheim.

Wieviele Trophies wohl schon durch seine Hände gegangen sind?

Wohin gehst Du?
Ein Freund von mir hat es mal so formuliert: “Eigentlich ist es eine Schande, dass unsereins nach all den Jahren immer noch realistische Chancen auf eine Platzierung bei der BAG-Competition hat.“ Solange ich kann, werde ich diese Chance auch zu nutzen versuchen, aber ich hoffe, dass die Zeit der heutigen Potenzialträger bald anbrechen wird. Ich habe da eine junge Frau aus Norddeutschland, sowie zwei junge Männer aus Baden bzw. Württemberg im Kopf, und ich kenne ja nur wenige persönlich. Bis dahin werde ich jedem, der daran interessiert ist, die Erfahrungen, die ich gemacht habe, als Unterstützung weitergeben. In meiner Band kann und will ich noch lange unterstützend tätig sein. Ich wünsche mir aber, dass irgendwann jemand – den ich nach Möglichkeit sogar selbst herangezogen habe – berechtigterweise Anspruch auf meine Position erhebt. Dann werde ich mich auf eine entspannte Bandspieler-Position zurückziehen. Da muß man nur seine Stücke geübt und seine Pipe in Schuß gehalten haben, dann ist es gut.

Der promovierte Chemiker Dr. Andy Fluck lebt mit seiner Frau Ute, ebenfalls promovierte Chemikerin, und seinen beiden Söhnen Calvin und Claudius in Karlsruhe.

Andy, ich danke Dir für das Interview.

Stuttgart University Pipe Band – und wo isser?

 

 

 

 

 

(veröffentlich in der BAG-Info Januar 2006)